Longieren ist ja so einfach. Trense aufziehen, Longe dranschnallen und ab auf den Zirkel. Oder gehört doch mehr dazu?
Longieren ist die beste Methode, Pferde schonend zu gymnastizieren, und ein absolutes „Muss“ in der Ausbildung junger Pferde. Aber ganz so einfach, wie es aussieht, ist es mit dem Longieren bei näherer Betrachtung doch nicht. Denn so viel Gutes, was eine durchdachte Longenarbeit bewirken kann, so viel Negatives kann man Pferden damit antun.
Lass‘ mal locker
Das beginnt schon bei der Frage, ob und wenn ja mit welchen Hilfszügeln das Pferd für das Longieren verschnallt werden soll. Nach Ansicht vieler erfahrener Pferdetrainer ist der Ausbinder dabei die schlechteste Wahl. Denn er wird starr mit dem Gebiss an dem einen und den Ringen des Longiergurts an dem anderen Ende verbunden. Elastisches Nachgeben und sanftes Einwirken auf das Pferdemaul ist damit nicht mehr möglich. Im Gegenteil: beim Versuch, sich gegen den starken Druck der Trense auf die Zunge zu wehren, fügt sich das Pferd mit jedem Schlagen des Kopfes nur mehr Schmerzen zu.
Messungen im Pferdemaul haben ergeben, dass die Drucklast der Trense auf die Zunge und den Unterkiefer durch den starren Ausbinder in solchen Momenten 80 Kilogramm und mehr beträgt. Wenn junge, unerfahrene Pferde ausgebunden an der Longe buckeln und steigen, dann tun sie das nicht aus Lebensfreude. Sondern, weil der Schmerz im Maul unerträglich wird. Und ein derartiges Schmerzgedächtnis ist die schlechteste Voraussetzung für die weitere Ausbildung.
Wer also die Vorzüge einer sinnvollen Longenarbeit, nämlich das Fördern von Schwung, Takt, Losgelassenheit und Balance, nutzen will, wird nicht umhinkommen, sich gründliche Gedanken hinsichtlich der Verwendung von Hilfszügeln machen zu müssen. Je nach Ausbildungsmethode und Ausbildungsstand des Pferdes gibt es eine ganze Reihe von Varianten, die dem Pferd auf sanfte Art und Weise vermitteln, was der Mensch am anderen Ende der langen Leine gerade von ihm will.
Auf den Standpunkt kommt es an
Ein weiterer Aspekt für erfolgreiche Longenarbeit ist die Frage, ob der Longenführer während der Arbeit mit seinem Pferd starr auf seinem Platz in der Zirkelmitte verharrt, oder ob er sein Pferd durch wechselnde Positionen der Zirkelmitte dynamisch an der Loge führt. An dieser Frage entzündet sich in der Praxis so manch heiße Diskussion. Denn während manche Ausbilder einen festen Standpunkt bevorzugen, um dem Pferd dadurch eine deutliche Anlehnung an die Longenhilfen zu geben, ziehen es andere vor, durch Verlagern des Zirkelmittelpunkts ein dynamisches Stellen und Biegen des Pferdes zu ermöglichen. Man weiß heute, dass die psychische Einwirkung des Longenführers mit der Entfernung abnimmt. Je näher wir das Pferd an uns heranholen, desto größer ist seine Aufmerksamkeit auf uns und unser Tun gerichtet.
Daraus ergibt sich, dass wir auf das Pferd an der Longe am besten Einwirken können, wenn wir es auf einem kleineren Kreis um uns herum gewissermaßen „begleiten“. Dieses Begleiten animiert das Pferd verstärkt zur Mitarbeit. Mit dieser Methode wird es auch möglich, zwischendurch immer wieder mal Wechsel zwischen Biegung und Geraderichten einzubauen. Wird der Zirkel zum Oval, können Sie auch die Hallenbande als äußere Begrenzung nutzen. Gerade junge, noch unausbalancierte Pferde sind für eine derartige Erleichterung meist sehr dankbar und verstehen dann schnell, was für den Moment von Ihnen gefordert wird. Ein netter Nebeneffekt des dynamischen Longierens im Gegensatz zum starren Verharren in der Zirkelmitte ist, dass der Hallenboden nicht festgetreten wird. Ein Umstand, der jeden Reitstallbetreiber sehr freuen wird.
Gurt oder Sattel?
Bei der Ausbildung ihrer Remonten (= Jungpferde) zum verlässlichen Reitpferd benutzten die Reitmeister vergangener Zeiten statt eines Longiergurtes lieber den Sattel. Neben der Gymnastizierung des Pferdes an der Longe hat das nämlich den Vorteil, dass sich gleichzeitig seine Sattellage besser ausbilden kann. Natürlich nur, wenn der Sattel an der richtigen Stelle liegt, und der Sattelgurt gut angezogen ist. Der 2018 verstorbene Pferdetrainer Fritz Stahlecker brachte es so auf den Punkt: „Wenn wir die Remonte gesattelt longieren, gewinnen wir den Vorteil, dass sich später beim ersten Reiten die Sattellage bereits im Ansatz gebildet hat“.
Um auf die Eingangs gestellte Frage zurückzukommen: ganz so einfach, wie es vielleicht aussieht, ist pferdegerechtes Longieren wohl doch nicht. Aber mit einiger Überlegung die wohl beste Art, Pferde auszubilden und sie gemäß ihrer Anlagen weiter zu entwickeln.