Auch ein „Nein“ muss mal sein

Ungeduldiges Scharren, rücksichtsloses Anrempeln oder eiliges Überholen beim Führen – wer seinem Pferd alles durchgehen lässt, ohne klare Grenzen zu setzen, tut ihm nichts Gutes. Im Gegenteil.

Was das Sozialverhalten von Pferden betrifft, hat es der bekannte bayerische Pferdetrainer Michael „Maik“ Geitner einmal auf den Punkt gebracht: „Wer andere bewegt, der bestimmt“. Aus dieser einfachen Formel erklärt sich so manche Unart, die Reitern und anderen Pferdenarren das Leben bisweilen sehr schwer machen kann. Denn Beißen, Steigen, Drängeln und anderes erklärt sich ganz oft aus der Tatsache, dass dem Pferd seitens seines Besitzers keine klaren Grenzen gesetzt werden. Und auch scheinbar „harmlose“ Unarten wie Schubsen, Leckerlis einfordern oder Herumzappeln am Putzplatz sind kein zu entschuldigendes oder gar drolliges oder „niedliches“ Verhalten. Sie zeigen vielmehr eindeutig, dass es mit dem Respekt des Pferdes gegenüber „seinem“ Menschen nicht weit her ist. Wer seinem Pferd alles durchgehen lässt, um ihm vermeintlich etwas Gutes zu tun, zieht sich sein Problempferd nach und nach ganz von selbst heran.

Konsequenz gibt Sicherheit

Nachlässige, scheinbar „großzügige“ Nachsichtigkeit dem eigenen Pferd gegenüber ist ein Phänomen, das weit verbreitet zu sein scheint. Das können viele Reitlehrer und Profi-Trainer nur bestätigen. Statt Pferde und ihre Reiter auszubilden und sie in ihrer sportlichen Entwicklung zu fördern, sind sie oft damit beschäftigt, den Pferden erst einmal die Basics einer von Gehorsam geprägten Grundausbildung beizubringen.

Schon als Fohlen lernen Pferde, dass es in einer Herde klare Regeln und Rangfolgen gibt.  Ein freches Fohlen, das sich nicht daran hält, sondern seinen eigenen Dickschädel durchsetzen möchte, bekommt Ärger mit seinen Artgenossen. Verhält es sich in der Herde aber Regel- und Rangfolgenkonform, ist alles gut. Diese Konsequenz hat nichts mit Unterdrückung anderer Herdenmitglieder zu tun, sondern gibt jedem Individuum einer Herde etwas ganz Wichtiges, nämlich Sicherheit. Diese Sicherheit suchen Pferde natürlich auch im Zusammenleben mit uns Menschen. Wer sich hierbei als wankelmütig erweist, und eine Unart mal durchgehen lässt, dann beim nächsten Mal wieder bestraft, wird für sein Pferd unglaubwürdig. Wer bewegt, der bestimmt. Lassen Sie sich also ständig von Ihrem Pferd „bewegen“, rutschen Sie in der Rangfolge hinter Ihren vierbeinigen Liebling. 

Sicherheit geht vor

Hat das Pferd im Zusammensein mit dem Menschen erst einmal die Führung übernommen, kann das gefährliche Folgen haben. Denn zeigt es schon in der sicheren Reithalle, dass es von Respekt und Unterordnung unter den Menschen nicht viel hält, wird es das draußen im Gelände genau so wenig tun. Muss beispielsweise eine Straße überquert werden, und mag das Tier grundsätzlich nicht stillstehen, kann unkontrolliertes Drängeln für Reiter und Pferd, aber auch für die vorbeifahrenden Autofahrer höchst gefährlich werden. Und auch für den täglichen Umgang ist ein sicherer Grundgehorsam unerlässlich. Kein Schmied möchte sich von einem Pferd treten lassen, kein Tierarzt hat Lust, etwa beim Impfen respektlos umgerannt zu werden. Und so mancher Fuß unter dem Huf ließe sich vermeiden, wenn es im Zusammensein von Mensch und Pferd klare Regeln gibt. Hapert es schon im vertrauten Stall an den Basics des Gehorsams, wird sich das Pferd in einer ungewohnten Situation im Gelände oder auf einem Turnier erst recht nicht auf seinen Reiter verlassen wollen.

Folgen für die Psyche und die Gesundheit

Seinem Pferd aus lauter Zuneigung vieles durchgehen zu lassen, hat auch ganz unmittelbare negative Folgen für seine Gesundheit. Denn gibt es im Zusammensein mit seinem Menschen keine klaren, Sicherheit vermittelnde Regeln, bedeutet das Dauerstress für den geliebten Vierbeiner. Studien haben gezeigt, dass permanenter Stress bei Pferden ganz oft zu Organschäden führt. Magengeschwüre etwa sind ein ganz typisches Symptom dafür, dass in der Beziehung zwischen Mensch und Pferd etwas grundlegend nicht stimmt.

Fehlt im Miteinander die Orientierung, wird das Pferd verunsichert. Das führt dazu, dass es sich beispielsweise im Training nicht auf die reiterlichen Hilfen konzentrieren kann. Und: inkonsequentes Verhalten des Reiters am Boden, also etwa beim Putzen, Satteln oder Führen, wird oft im Sattel fortgeführt. Unklare oder zögerliche Hilfen tragen zur weiteren Verunsicherung des Pferdes bei. Widersetzlichkeiten und Ungehorsam sind dann keine absichtlichen Gemeinheiten, sondern nur eine ganz natürliche Folge von Unsicherheit.

Für ein glückliches, zufriedenes Pferd braucht es also klare Regeln und Konsequenz. Wenn Ihnen „Nein“ sagen trotzdem oft schwerfällt: keine Angst - Ihr Pferd mag Sie trotzdem. Oder gerade deswegen.

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