Haarige Sache

Das Pferdefell verrät viel darüber, wie es gesundheitlich um seinen Träger bestellt ist. Haaranalysen sind unter Reitern deshalb derzeit der ganz große Geheimtipp, um den Ursachen aller möglichen Gesundheitsprobleme auf den Grund zu gehen. Doch was können Haaranalysen tatsächlich verraten? Und vor allem: was nicht?

 

„Der ist gut im Lack“ – der Fellzustand eines Pferdes verrät viel über dessen Gesundheit. Ist das Fell glänzend, dicht und riecht es angenehm bis neutral, ist hinsichtlich der Versorgung des Pferdes mit Spurenelementen wie Zink und Kupfer sowie Proteinen und Fettsäuren augenscheinlich alles im Lot.

 

Sieht ein Pferd seinen Tierarzt aber häufiger als zu den vorgeschriebenen Impf-Auffrischungen, sind Pferdehalter oft geneigt, vermittels einer Haarprobe herausfinden zu lassen, wo genau es bei ihrem Schützling gesundheitlich „klemmt“. Doch Vorsicht, Haarproben können zwar einiges über das Innenleben Ihres Pferdes aussagen, aber längst nicht alles. Einfach mit der Schere an einer unauffälligen Stelle etwas wegschnipseln und ins Labor schicken, funktioniert nicht. Dafür braucht es schon mehr. Pferdezüchter etwa schicken Haarproben des Schweif- oder Mähnenhaares, allerdings mit der Haarwurzel, zu gentechnischen Untersuchungen ins Labor. Denn in der Haarwurzel befinden sich verwertbare DNA-Spuren, die beispielsweise Aufschluss darüber geben, welche Fellfarbe ein Fohlen bei einer bestimmten Anpaarung haben wird, ob es ein Talent für besondere Gangarten mitbekommt, oder auch, wie groß es sehr wahrscheinlich werden wird. Mit solchen Gentests können aber auch Träger von Erbkrankheiten identifiziert werden, die dann vor einer tatsächlichen Anpaarung aus der Zucht herausgenommen werden können. Einige Zuchtverbände wie etwa der Paint Horse Club Germany verlangen zur Registrierung oder Zuchtanmeldung bereits den Nachweis eines entsprechenden DNA-Profils. Für diesen Nachweis benötigt ein Labor entweder eine Haarprobe mit den dazugehörenden Haarwurzeln, was aber -weil schmerzhaft zu entnehmen- keine einfache Sache ist. Zum Glück tut es eine einfacher zu entnehmende Blutprobe durch den Tierarzt auch.

 

Begrenzte Aussagefähigkeit

Neben den genetischen Veranlagungen kann eine Haarprobe in gewissem Umfang auch verraten, ob ein Pferd ausreichend mit lebenswichtigen Spurenelementen versorgt ist. Allerdings ist das Laborergebnis, anders als bei einer Blutprobe, keine aktuelle „Momentaufnahme“. Die erhobenen Daten zeigen vielmehr an, ob das Tier in der Vergangenheit langfristig ausreichend mit Mineralstoffen versorgt worden ist. Auch Schwermetallbelastungen lassen sich mit einer Haarprobe labortechnisch nachweisen.

 

Darüber hinaus ist die Aussagekraft von Haaranalysen hinsichtlich der Mineralversorgung des Pferdes bisher noch sehr begrenzt. Das liegt zum Teil daran, weil unterschiedliche Haarabschnitte verschieden viele Mineralstoffe einlagern. Zum anderen gibt es derzeit für lebenswichtige Mineralstoffe wie Zink oder Mangan noch keine gesicherten Normalwerte, anhand derer sich eine Über- oder Unterversorgung feststellen ließe. Und je nach der angewendeten Messmethode kommt es in den Laboren zudem zu unterschiedlichen Messergebnissen. Und: das Labor benötigt für die Untersuchung immer Haarmaterial, das aktuell noch vom Körper versorgt wird. Von selbst ausgefallene Haare aus dem Fellwechsel geben dagegen rein gar nichts über ihren ehemaligen Träger preis.

 

Nicht zu viel hineininterpretieren

Mähnen- oder Schweifhaare verraten zwar schon einiges, aber eben nicht alles über den Gesundheitszustand eines Pferdes. Seriöse Hinweise auf Muskelverspannungen, Gelenkblockaden oder gar das psychische Befinden liefern sie jedenfalls nicht. Um solche Probleme zu beurteilen und zu behandeln, werden verantwortungsbewusste Pferdehalter je nach Symptomlage nicht umhinkommen, fachlichen Rat von ausgewiesenen Experten wie Fütterungsberatern, Osteopathen, Physiotherapeuten, Hufschmieden, Tierärzten, Tierheilpraktikern oder versierten Pferdetrainern einzuholen.

 

Um sich nicht auf Untersuchungsergebnisse zu verlassen, die gewissermaßen an den Haaren herbeigezogen sind, kann sich ein Pferdehalter mit einem genauen Blick auf den Fellzustand seines Schützlings aber auch selbst schon einen sehr guten Eindruck von dessen momentanen Gesundheitszustand verschaffen. Zeigen sich beispielsweise kahle Stellen im Fell, ist das meist kein Zeichen von Nährstoffmangel, sondern deutet vielmehr auf einen Befall mit einem Hautpilz, Milben oder Haarlingen hin. Ein Fell, das sich ölig anfühlt, ist meist auf eine Nährstoffüberversorgung zurückzuführen. Wobei ein leichter Fettfilm ganz normal ist. Denn er hilft dem Fell, (Regen-) Wasser vom Körper fernzuhalten. Und nicht zuletzt ist auch die Fellfarbe schon ein recht guter Anzeiger dafür, ob das Tier mit allen notwendigen Mineralien versorgt ist. Denn fehlen im Futter beispielsweise Kupfer und Zink, wird das Fell an manchen Stellen blasser. Auffällig unpigmentierte Hautstellen, die vor allem im Sommer zu Problemen führen können, lassen sich ebenfalls auf eine Unterversorgung mit Kupfer zurückführen.

 

Bei näherer Betrachtung zeigt sich also, dass es durchaus schon eine haarige Sache sein kann, sich ausschließlich über eine Haarprobe einen Gesamteindruck über den Gesundheitszustand seines Pferdes verschaffen zu wollen.

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