Filmproduktionen mit Pferden sind immer eine sehr aufwändige Angelegenheit. Vor und hinter den Kulissen. Was ein Pferd können muss, um zum Filmstar zu werden. Und wie es auf eine Leinwandkarriere vorbereitet wird.
Ostwind, Rock my heart, Immenhof, Armans Geheimnis, Bibi und Tina oder die Wendy-Verfilmungen – die Herausforderungen, die Pferde bei Filmproduktionen meistern müssen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Suzanne Struben-Séra, Pferdetrainerin und Horsemaster bei der Filmpferde-Agentur „filmpferde.com“, hat Pferde für unzählige Filme ausgebildet. Angefangen hat ihre Karriere bei der Show „Der Zauberwald“. Dort sammelte sie Erfahrungen bei dem bekannten Zirkusdirektor Franz Althoff und anderen hervorragenden Pferdetrainern. Im Interview für Stübben erzählt sie, was Pferde vor der Kamera leisten müssen, und verrät, wie sie auf ihren Job und ihre jeweilige „Rolle“ vorbereitet werden.
Frau Struben Séra, sind Pferde, die beim Film arbeiten, anders als andere Pferde?
Nein, es sind ganz normale Pferde, die nach ihren Fähigkeiten ausgesucht worden und für ihre Aufgabe im Dreh vorbereitet und trainiert worden sind.
Was muss ein Pferd mitbringen, um für einen Dreh in Frage zu kommen? Welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?
Natürlich braucht es für die Arbeit am Filmset ein sehr gutes, stabiles Nervenkostüm und viel Gelassenheit und Vertrauen in die Situation. Für mich persönlich als Trainerin und manchmal auch Stunt-Double ist auch sehr wichtig, dass das Pferd Freude an der Arbeit hat und dabei keinen unnötigen Stress erfährt. Deshalb ist die richtige Vorbereitung extrem wichtig. Der Punkt ist, dass es - ähnlich wie für die Schauspieler - für die Pferde verschiedene Rollen, und damit natürlich auch unterschiedliche Aufgaben gibt, die sie zu bewältigen haben.
So kommt es öfters vor, dass ein Pferd in einer Szene ganz ruhig, entspannt und „gechillt“ sein muss, obwohl es vielen aus Pferdesicht „gefährlichen“ Außenreizen wie etwa Schüssen oder Feuereffekten ausgesetzt ist. Oder es muss mit einem Schauspieler arbeiten, der keinerlei Pferdeerfahrung hat. Für solche Szenen brauchen wir dann sehr erfahrene, gut trainierte Tiere.
Man muss sich bei den Dreharbeiten vorstellen, dass oft das gesamte Team, also die Beleuchter, die Maskenbildner, die Kameraleute - manchmal 30 Menschen und mehr, die um uns rumspringen- kaum Pferdeerfahrung haben, und in ihren Arbeitsablauf verwickelt sind.
Dann passiert es zum Beispiel, dass plötzlich und ohne Vorwarnung eine weiße Riesenleinwand hinter dem Pferd aufgespannt wird oder ein Regenschirm laut aufklappt...
Als Pferdetrainerin beim Film zu arbeiten bedeutet deshalb vor allem, dass von mir permanent Flexibilität gefordert wird sowie spontanes Umdenken und das Kreieren von Lösungen.
Aber genauso kann in der nächsten Szene die Anforderung sein, dass das Pferd wild, nervös in der Box ist, oder richtig schnell auf der Rennbahn laufen und feurig steigen muss.
Das erfordert dann verschiedene „Pferdedarsteller“, je nach Aufgabe. Deswegen haben wir oft verschiedene Double-Pferde für eine „Hauptrolle“. Sie werden dann entsprechend angeglichen, das heißt mit Schminke oder einem Haar- bzw. Mähnen-Toupée dem „Hauptdarsteller“ möglichst ähnlich gemacht.
Das ist auch ein Grund, warum unser Netzwerk „filmpferde.com“ so groß und vielfältig ist.
Es liegt uns bei jedem Dreh immer sehr am Herzen, dass die Pferde nicht den Spaß bei ihrer Arbeit verlieren. Und das ist auch gerade unsere Aufgabe als sogenannte „Horsemaster“.
Als Horsemaster stehen wir als vermittelndes Glied zwischen den Wunschbildern der Regie und Kamera, und den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Pferde. Das erfordert natürlich sehr viel Wissen und Erfahrung. Ich muss beispielsweise gut über Kameraeinstellungen Bescheid wissen, um das Geschehen nach den Wünschen der Regie in ein Szenarium umzusetzten. Auch ist es schon in der Vorbereitung ganz wichtig, schwierige Stunts für die Pferde möglichst leicht zu machen, um unseren Pferden die Arbeit am Set so angenehm wie möglich machen zu können. Schließlich haben sie, also die Pferde- es sich ja nicht ausgesucht, am Set zu sein. Daher haben wir die Verantwortung dafür, ihnen gerecht zu werden.
Wie wird ein Filmpferd auf die Arbeit am Set vorbereitet? Welche besonderen Herausforderungen gibt es dabei? Ich denke da zum Beispiel an special effects, besondere Ausleuchtung einer Szene mit speziellem Equipment und so weiter.
Manchmal liegt die Herausforderung in einem kleinen Detail. Stellen Sie sich vor, ein Pferd soll -natürlich ohne Halfter, ohne alles- in weiter Entfernung auf einer dicken, fetten Wiese überrascht und interessiert den Kopf heben, während im Hintergrund eine wilde Schar von Menschen oder eine Pferdeherde durchs Bild rennen soll. Das Ganze dann 15 Mal, bis die Szene endlich „im Kasten“ ist, so, wie es der Regisseur oder die Regisseurin es will. Und dabei soll das Pferd im Vordergrund immer schön ruhig stehen bleiben. Das kann verflixt schwer sein, und so etwas brauch auch sehr viel Training. Im Drehbuch liest sich das Ganze sehr unspektakulär, ist aber unglaublich aufwändig in der Vorbereitung und Umsetzung.
Letztendlich sind die Vorbereitung und das Proben einer Szene das A und O. Es ergeben sich immer wieder neue Herausforderungen wie historische Kampfszenen mit Schüssen, Explosionen und Feuer, ein Pferd im See schwimmend, über ein Auto springen ... das hatten wir mit unseren Pferden alles schon leisten müssen. In jedem Film und von jedem Pferd lernt man selbst als erfahrener Trainer immer wieder Neues dazu.
Muss ein Filmpferd jeden Tag trainiert werden?
Nein, nicht jeden Tag. Die Abwechslung ist wichtig, und dass dem Pferd die Zeit gegeben wird, das Gelernte zu verarbeiten, damit kein Druck entsteht.
Was muss ein guter Filmpferdetrainer können?
Ich glaube, so wie jeder Mensch seine besonderen Talente und Fähigkeiten hat, ist das
bei den Pferden genauso. Nicht jeder Mensch möchte vor der Kamera stehen, manche sind glücklicher und haben ein Talent für die Arbeit hinter der Kamera. Nicht jedes Pferd hat Springbegabung, nur weil es in den Papieren vererbt ist, oder wird ein gutes Show- oder Filmpferd, weil der Besitzer das gerne so hätte. Ein guter Trainer erkennt das Potential eines Pferdes und setzt es dementsprechend ein, ohne die Wertvorstellung seines Besitzers. Nur so kann sich jedes Pferd von seiner stärksten Seite entwickeln.
Auch eine Wertschätzung und die Freude, wenn das Pferd seine Szene gut erfüllt hat,
sind so wichtig! Ich bin nach Drehschluss immer noch dankbar und glücklich, wenn mein Pferd so wunderbar mitgespielt hat im Dreh. Und es gibt wirklich Pferde, die richtig Spaß am Filmset oder an Shows haben, ich habe da schon echt verrückte Dinge erlebt (lacht).
Aber ich denke, jeder Pferdemensch hat so etwas ähnliches schon in seiner Sparte erlebt,
egal was er mit seinem Pferd macht.
Wie lange sollte ein Pferd an einem Drehtag maximal arbeiten müssen?
Das kommt darauf an, was es machen muss, wie erfahren und in welcher Verfassung es gerade ist. Da ist immer die Aufmerksamkeit von dem Pferdetrainer gefragt, sein Pferd pferdegerecht einzuschätzen. Während des Drehtages am Set müssen wir uns mit dem Drehteam abzustimmen, um dafür zu sorgen, dass den Pferden ausreichend Fress- und Pinkelpausen sowie Entspannungsmomente zugestanden werden.
Was war bisher Ihre größte Herausforderung?
Das kann ich gar nicht wirklich sagen, was das Schwierigste war.. das habe ich schon zig Mal gedacht, und dann kam danach wieder irgendetwas Spezielles. Ich bin immer wieder dankbar, wenn alles gut geklappt hat. Und mein Pferd mich nach dem Dreh mit zufriedenen Augen anschaut.